„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ beginnt bekanntlich Art. 1 Abs. 1 unseres Grundgesetzes. In meinem Facebook-Newsfeed sah ich dieser Tage eine Petition, in der es darum gegen die Würde der Menschen zu stärken. Würdevolle Menschen würden Verlockungen besser widerstehen und vernünftigere Entscheidungen treffen.
Tatsächlich tun wir uns bei Menschen, die Verlockungen widerstehen und gute Entscheidungen treffen, mit dem Begriff Würde nicht so schwer. Generell nicht bei Menschen, die wir nett und sympathisch finden, die vernünftige Anliegen haben, die wir teilen.
Wesentlich schwieriger wird es dann schon bei Menschen, deren Anliegen wir nicht teilen. Die etwas machen oder fordern, was für uns das Leben unbequemer machen oder gar schaden könnte. Da fühlt man sich doch erst einmal in seiner eigenen Würde getroffen.
Noch viel schwerer wird das bei Straftätern. Besonders bei Mördern, Vergewaltigern, Kinderschändern. Da kocht schnell die Volksseele hoch. „Wegsperren für immer“ heißt es da oft. Und ein Prozess ist da nur Zeitverschwendung und ein Verteidiger stört. Überhaupt soll sich doch der Anwalt schämen, der es wagt „so jemanden“ zu verteidigen.
Ganz anders ist das natürlich, wenn der Beschuldigte nur etwas gemacht haben soll, was uns auch hätte passieren können. Vielleicht war er bei der Schadensmeldung an die Versicherung etwas zu kreativ. Oder hatte einen Mitarbeiter noch nicht angemeldet als zufällig ausgerechnet heute der Zoll vorbei kam. Dabei hätte er morgen doch ganz bestimmt die Anmeldung gemacht…
Auch in diesen Fällen geht der Prozess natürlich zu lang und ist viel zu aufwendig. Diesmal halt anders herum – der Staat soll sich doch gefälligst lieber um die „wahren Verbrecher“ kümmern, anstatt einfache, anständige, hart arbeitende Leute, wie wir selbst welche sind, wie „Schwerverbrecher“ zu behandeln.
Über das Wort „Würde“ kann man natürlich mehrbändige philosophische Abhandlungen schreiben. Ich will es hier mal ganz einfach ausdrücken:
„Würde“ ist etwas, was jedem Menschen zusteht, einfach weil er ein Mensch ist. Egal wer ist, woher er kommt oder was er getan hat. „Würde“ heißt, dass es nicht mehrere Klassen von Menschen gibt, sondern man jeden vor dem Gesetz gleich behandeln muss, ob er einem sympathisch ist oder nicht. Und „Würde“ heißt, dass eben auch der schlimmste Straftäter und der dreisteste Wirtschaftsflüchtling noch Rechte hat, die man nicht einfach ignorieren kann, weil ihre Beachtung langwierig, teuer und unbequem ist. Und „der“ das doch gar nicht verdient hat…
Wenn wir über „Würde“ reden müssen, geht es fast immer um diejenigen, denen wir am liebsten keine Würde zugestehen würden. Und die gerade deswegen ganz besonders darauf angewiesen sind, dass wir ihre Würde wahren. Auch wenn es manchmal verdammt schwer fällt.
Hinterlassen Sie einen Kommentar