Die Gretchenfrage dieses Sommers lautet: „Wie hältst Du es mit der Maske“?
Die politisch korrekte Antwort ist, dass die Maskenpflicht ja nur ja nur für kurze Zeit gälte, man Masken nur bei bestimmten Gelegenheiten tragen müsse, dadurch andere vor Ansteckungen geschützt werden und gegen Masken zu sein ungefähr so rational wäre wie gegen Sicherheitsgurte zu sein, nämlich gar nicht.
Dazu könnte man zumindest mal ein paar Fragen stellen: Was ist angesichts einer dauerhaft bestehenden Gefahr durch ein Virus, das nicht mehr verschwinden wird und für das die Entwicklung eines wirksamen Medikaments oder Impfstoffes bestenfalls unsicher, wenn nicht reines Wunschdenken ist, denn eine „kurze Zeit?“ Und gemessen an was: Dem langen erfüllten Leben eines 90jährigen oder seiner voraussichtlichen restlichen Lebensspanne? Oder dem kurzen Leben eines 6jähigen oder doch seiner voraussichtlichen künftigen Lebenserwartung? Wieso hielten wir zumindest noch bis vor wenigen Monaten die Verschleierung aus religiösen Gründen für völlig inakzeptabel, aber die aus gesundheitlichen Gründen jetzt für zwingend geboten? Und gibt es vielleicht doch gewisses Unterschiede zwischen einem Sicherheitsgurt, der in erster Linie den Träger selbst schützen soll und einer Maske, die in erster Linie andere Menschen schützen soll, und das nicht einmal vor einem bestimmten Träger sondern von dem einen unter tausend, der statistisch gesehen vielleicht infektiös sein könnte?
Solche Fragen, die auch bis vor wenigen Monaten noch einen guten Juristen ausgezeichnet hätten, sind heutzutage aber Kennzeichen eines Verschwörungstheoretikers, mindestens aber eines rücksichtslosen Zynikers, dem seine eigene Bequemlichkeit wichtiger ist als Leben und Gesundheit seiner Mitmenschen. Eine solche Diskussion kann man nicht gewinnen, weswegen es heute Zeichen eines guten Juristen ist, sie gar nicht erst zu führen. Und deswegen beende ich diese Thematik an dieser Stelle auch und wende mich den rein technischen Fragen des Rechtes zu.
Eine Frage, die in dem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist, ob tatsächlich die Betreiber von Läden verpflichtet sind, den Zutritt von Kunden ohne Maske zu verhindern. Viele Ladenbesitzer machen das mit der Begründung, dass ihnen hohe Bußgelder drohen würden. Manche Kunden, insbesondere solche, denen Nähe zu „Verschwörungstheorien“ nachgesagt wird, glauben hingegen, dass es nicht einmal eine wirksam bestehende Maskenpflicht gibt, aber jedenfalls schon gar nicht eine Verpflichtung der Ladeninhaber, diese bei den Kunden durchzusetzen.
Der gute Jurist glaubt gar nichts, sondern prüft: „Wo ist denn die Rechtsgrundlage?“
Also schauen wir mal in die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg in der seit 1. Juli 2020 gültigen Fassung. Früher hat sich diese Verordnung ja nahezu täglich geändert. Außerdem wurde und wird sie ergänzt durch zahlreiche Sonderverordnungen zu bestimmten Bereichen. Inzwischen kann man sagen, dass jedenfalls für den Einzelhandel die Rechtslage vergleichsweise einfach geworden ist: Es gibt jedenfalls keine Betriebsverbote mehr und auch keine besondere Verordnung mehr. Alles, was man zu der Frage braucht, findet sich in der allgemeinen Corona-Verordnung.
Deren § 3 Abs. 1 besagt:
„Eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung muss getragen werden
…
4. in Einkaufszentren und Ladengeschäften…“
Keine Regel ohne Ausnahme, denn § 3 Abs. 2 bestimmt:
„Eine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung besteht nicht
…
2. für Personen, denen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist,…“
Findige Juristenkollegen folgern jetzt daraus, dass es in Wahrheit in Baden-Württemberg jedenfalls seit dem 1. Juli 2020 keine Maskenpflicht mehr gäbe, weil was einem „zumutbar“ sei, ja jeder selbst entscheiden könne. Das sieht jedenfalls die Landesregierung selbst allerdings nicht so, denn in den Fragen und Antworten zur Maskenpflicht findet sich zu dem Thema folgende Aussage:
„Wenn aus medizinischen Gründen keine Maske getragen werden kann, entfällt die Maskenpflicht. Sofern dies nicht offensichtlich ist, ist für spätere Kontrollen ein Nachweis erforderlich. Dies kann beispielsweise durch eine ärztliche Bestätigung erfolgen. Bitte sprechen Sie mit Ihrem Haus- oder Facharzt.
Auch für Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung keine Masken auf- oder absetzen können, besteht keine Maskenpflicht.
Auch schwerhörige oder gehörlose Menschen, die auf das Mundbild oder eine besonders deutliche Aussprache in der Kommunikation angewiesen sind sowie deren Begleitpersonen müssen keine Maske tragen.“
Die Corona-Verordnung sieht eine Bußgeldpflicht vor, wenn man entgegen § 3 Abs. 1 keine Maske trägt. Ob aufgrund der unklar formulierten Ausnahme in dessen Abs. 2 Nr. 2 hinreichend deutlich erkennbar ist, welches Verhalten eigentlich verboten ist und mit einem Bußgeld geahndet werden soll, darf man zwar bezweifeln und Einsprüche gegen Bußgeldbescheide wegen Verstoßes gegen die Maskenpflicht somit gute Aussichten auf Erfolg haben, denn die Interpretation der Landesregierung ist selbst ja kein Gesetz. Für eine polizeiliche Anordnung, entweder die Maske aufzusetzen oder den Laden zu verlassen, wenn keine derartigen Gründe vorliegen, dürfte die Auffassung der Landesregierung aber reichen. Deswegen sollte man für alle praktischen Zwecke in diesem Bereich doch besser der Landesregierung glauben als sogenannten kritischen Juristen aus dem Dunstkreis der fundamentalistischen Maskengegner.
Bleibt die Frage: Müssen die Ladenbetreiber die Maskenpflicht durchsetzen?
Einen ausdrücklichen Bußgeldtatbestand gibt es für sie tatsächlich nicht – anders als z. B. für Veranstaltungsleiter bei einer Demonstration, denen ausdrücklich auferlegt wird, die Abstandsregel dort durchzusetzen und ein Bußgeld angedroht wird, wenn sie das nicht machen. Aber nach den ganz allgemeinen Regelungen können Ladenbesitzer jedenfalls dann, wenn sie ihre Kunden ermuntern, keine Masken zu tragen, wegen Anstiftung oder Beihilfe belangt werden – natürlich auch nur unter der Voraussetzung, dass die Bußgeldpflicht in diesem Bereich generell greift, was man wie ausgeführt bezweifeln sollte.
Im Übrigen äußert sich auch hierzu die Landesregierung in ihren Fragen und Antworten zur Maskenpflicht:
„Die Maskenpflicht richtet sich primär an die Einzelperson, also die Kundin oder den Kunden. Grundsätzlich überwachen die Ortspolizeibehörden die Einhaltung der Maskenpflicht mit Unterstützung der Polizei.
Allerdings eröffnet der Ladeninhaber eine Fläche, auf der sich Menschen begegnen. Er hat insofern auch dafür Sorge zu tragen, dass seine Fläche nicht zu einer Gefahrenfläche wird, weil Kunden sich nicht an die Maskenpflicht halten. Insofern hat er, beziehungsweise sein Personal, dafür Sorge zu tragen, dass sich die Kunden daran halten. Etwa durch ein Ansprechen der entsprechenden Kunden.
Sanktionen im eigentlichen Sinne kann der Inhaber nicht aussprechen. Ihm steht allerdings das Hausrecht zu, so dass er im Einzelfall auch Hausverbote aussprechen kann.“
Der Ladeninhaber muss also kein Bußgeld fürchten, aber doch gewerberechtliche Sanktionen, schlimmstenfalls die Schließung seines Geschäftes, wenn er massenweise Verstöße gegen die Maskenpflicht in seinem Laden einfach toleriert. Guten Gewissens kann dies Ladeninhabern daher nicht empfohlen werden. Allerdings müssen sie auch nicht strenger sein als die Landesregierung selbst und mithilfe ihres Hausrechts die Maskenpflicht nicht auch bei Personen durchsetzen, welche sogar nach Meinung der Landesregierung keine Maske tragen müssen. Und wenn sie dabei im Zweifelsfall großzügig sind, wird man ihnen das auch nicht vorhalten können – zumindest solange dies nicht faktisch darauf hinausläuft, dass in diesem speziellen Geschäft fast niemand mehr eine Maske trägt.
Das muss man alles nicht schön finden. Aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass dies aktuell nicht nur die Rechtslage ist, sondern auch politisch gewollt und von einer großen Mehrheit in der Bevölkerung so unterstützt wird. Ob das nächsten Sommer auch noch so ist und ob ich dann immer noch ausschließlich über Corona hier Blog-Beiträge schreibe oder es auch wieder andere wichtige Themen gibt, wird man abwarten müssen.
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