Ich hätte ja nie gedacht, dass ich mich nach 25 Jahren Anwaltstätigkeit mal mit dem Infektionsschutzgesetz beschäftigen würde. Das fällt in normalen Zeiten so überhaupt nicht in mein Fachgebiet. Aber in normalen Zeiten ist das eine Randmaterie, die in überhaupt niemandes Fachgebiet fällt. Nur sind die Zeiten gerade nicht normal, und als Unternehmer-Anwalt befasse ich mich mit allem, was für meine Mandanten wichtig ist.
Aktuell ist praktisch die gesamte Wirtschaft von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Einige wenige Branchen, wie z. B. das Bauhandwerk, positiv. Die Leute sind zuhause und haben Zeit, sich um alles zu kümmern, was bislang liegen geblieben ist. Da werden dann gerne Renovierungen gemacht, der Garten neu angelegt und dazu Handwerker empfangen – ist ja sonst nie Zeit dazu. Die allermeisten sind aber massiv negativ betroffen. Umsätze brechen ein oder fallen ganz weg, weil Kunden entweder nicht arbeiten dürfen oder das Geld zusammenhalten müssen. Da spart man dann z. B. zunächst am Marketing, obwohl man vielleicht gerade das in der Krise bräuchte. Das betrifft z. B. Marketingberater, Werbedesigner, Fotografen und Druckereien, die zwar arbeiten dürfen, aber kaum noch Aufträge haben.
Manche Geschäfte dürfen zwar öffnen, aber haben massive Umsatzrückgänge. Z. B. Backshops in der Nähe von Schulen oder Bahnhöfen – denn es kommen ja gerade keine Schüler und Reisenden. Und manche, die hätten öffnen dürfen, haben es trotzdem nicht gemacht, weil es sich schlichtweg nicht lohnte. Wenn die Innenstadt verödet ist, weil die meisten Geschäfte schließen müssen, macht es auch für den Optiker und die Textilreinigung keinen Sinn zu öffnen – warum sollte man Personal in den Laden stellen und bezahlen, wenn sowieso niemand kommt? Die Folgen sind verheerend und durch das Liefergeschäft nicht zu kompensieren – da hilft dann auch kein noch so gut gemeinter Imagefilm der Stadt Offenburg.
Und manchen Geschäfte durften lange Zeit gar nicht öffnen, oder nur sehr eingeschränkt. Einige davon sind inzwischen wieder geöffnet, die Friseure folgen in ein paar Tagen, bei den Hotels und Gaststätten wartet man noch immer auf Signale. Die Schließung selbst trifft diese Geschäfte hart – die Unsicherheit darüber, wann und unter welchen Auflagen sie wieder öffnen dürfen und die damit verbundene Unmöglichkeit jedweder Planung noch viel härter.
Natürlich bemüht sich die Politik um Rettungspakete. Aber auch hier ist das Gegenteil von gut oft „gut gemeint“. Kredite helfen nicht, wenn Umsätze nicht nachholbar sind und sich das Geld, das man zur Rückzahlung benötigen würde, gar nicht verdienen lässt. Soforthilfen dürfen nur zur Kostendeckung, nicht aber zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden. Gnädiger Weise wurden die Richtlinien inzwischen ja so geändert, dass 1.180,00 € monatlich als fiktiver Unternehmerlohn angesetzt werden dürfen. Fürs erzwungene Nichtstun vielleicht noch okay, aber für Leute, die 16 Stunden am Tag persönlich Ware ausliefern, die vorher ihre Angestellten, die jetzt in Kurzarbeit sind, über die Ladentheke verkauft hätten, um einen kleinen Teil des Umsatzes zu halten, nicht einmal die Hälfte des Mindestlohnes. Darüber kann man nicht mal mehr lachen, das ist einfach nur beschämend und traurig.
Über die Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz, die ausdrücklich auch entgangenen Gewinn erfassen, wird dagegen schamvoll geschwiegen. Und wenn doch mal darüber geredet wird, wird betont, dass sie nicht einschlägig wären. Sie gälten nämlich nur für Infizierte und Ansteckungsverdächtige, die unter Quarantäne gestellt würden – nicht aber für Geschäfte, die geschlossen würden. Deswegen lehnen sich Politiker vermeintlich entspannt zurück, wenn davon die Rede ist – dieselben Politiker übrigens, die auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes Verordnungen erlassen, mit denen die Geschäfte geschlossen werden. Aber hier muss eine gewisse Konsequenz dann schon eingefordert werden – wenn man das Infektionsschutzgesetz dazu benutzt, Geschäfte zu schließen, dann muss man deren Inhaber auch nach diesen Vorschriften entschädigen. Und das sieht ein Unternehmer-Anwalt dann vielleicht doch sehr viel klarer, als ein betriebsblinder Verwaltungsrechtsexperte. Deswegen beschäftige ich mich damit – und als Fachanwalt für Insolvenzrecht, der für die Fortführung von Betrieben in Liquiditätsschwierigkeiten ständig relevante Umsätze und Kosten zu ermitteln und Planrechnungen zu erstellen hat, habe ich auch eine sehr klare Vorstellung davon, wie man unter Berücksichtigung einerseits entfallender und andererseits bleibendefr Kosten so einen Entschädigungsanspruch berechnen kann und muss.
Und deswegen ist das keineswegs etwas Exotisches außerhalb meines Fachbereiches, sondern die logische Anwendung meiner speziellen Kenntnisse und Fähigkeiten in diesen besonderen Zeiten.
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